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Aus der ZeitschriftZBJV 2/2020 | p. 137–138Es folgt Seite №137

Kreative Prinzipientreue – zum Rücktritt von Bundesrichterin Klett

Das Bundesgericht hatte per Ende 2019 die Demission von Bundesrichterin Dr. Kathrin Klett zu verzeichnen. Ihre Wahl durch die Vereinigte Bundesversammlung erfolgte am 11. Dezember 1991, und mit ihr hielt nach Margrith Bigler-Eggenberger erst die zweite Frau Einzug in das höchste schweizerische Gericht. Die von der Sozialdemokratischen Partei portierte Bundesrichterin absolvierte ihre Studien in Basel und doktorierte in Bern zum öffentlich-rechtlichen Thema der wohlerworbenen Rechte. Von 1984 bis 1990 amtete sie als Verwaltungsrichterin im Kanton Basel-Landschaft, ging parallel dazu einer Anwaltstätigkeit nach und wurde gleichzeitig, erst gut dreissigjährig, zur nebenamtlichen Richterin an das Bundesgericht berufen. Im anschliessenden ordentlichen Richteramt in Lausanne vernahm sie schliesslich die viva vox iuris civilis: Nach einem kurzen Abstecher in eine öffentlich-rechtliche Abteilung war sie stets in der I. zivilrechtlichen Abteilung tätig, wo sie sich mit unermüdlichem Einsatz um die Pflege vorab des Obligationen- und des Immaterialgüterrechts verdient machte. Von 2009 bis 2014 präsidierte sie die Abteilung, was für sie nach eigenen Worten die schönste Zeit ihrer beruflichen Karriere war.

Kathrin Klett ist eine vielseitige und scharfsinnige Juristin. Bemerkenswert aber ist vor allem ihr Berufsethos als Höchstrichterin, ein Amt, das ihr geradezu auf den Leib geschneidert schien: Sie zeichnete sich nicht nur durch hohe Arbeitsmoral und ausserordentliche Schaffenskraft aus, sondern auch – einem klassischen Gerechtigkeitsideal entsprechend – durch den unbeugsamen Willen, jedem Rechtsuchenden das ihm Gebührende zu verschaffen. Das Grunddilemma jeder richterlichen Tätigkeit, die Sicherheit des Rechts zu wahren, ohne dessen zeitgebotene Entwicklung zu unterbinden, löste sie mit mustergültigem Gespür für das Richtige. Stets war sie darauf bedacht, Rechtssicherheit durch Konstanz in der Rechtsprechung zu schaffen, vordringlich im Sinne einer prinzipientreuen Bestätigung, nötigenfalls aber auch durch kreative und doch immer massvolle richterliche Rechtsfortbildung. Regeln und Grundsätze wollte sie bestätigen, wo sich eine Änderung der Rechtsprechung nicht aufdrängte, und neue Fragen so entscheiden, dass die Kohärenz der Rechtsordnung gewahrt blieb. Geradezu empfindlich reagierte sie, wenn unbestrittene Grundsätze zwar formelhaft wiederholt, im Streitfall aber dennoch nicht konkretisiert, sondern zurechtgebogen werden sollten.

Aus der ZeitschriftZBJV 2/2020 | p. 137–138 Es folgt Seite № 138Im zwischenmenschlichen Bereich zeichnete sich Kathrin Klett durch Grosszügigkeit und Geselligkeit aus. Wer von ihr einen Rat brauchte, fand stets ein offenes Ohr und verbindliche Antworten. Das Bundesgericht verliert mit ihr einen Pfeiler nicht nur der höchsten Professionalität, sondern auch der Menschlichkeit.