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Aus der ZeitschriftZBJV 1/2011 | S. 79–112Es folgt Seite №79

Die bundesgerichtliche Rechtsprechung der Jahre 2008 und 2009 zum Verfahrensrecht der Sozialversicherung

Nachdem in früheren Berichtsperioden jeweils von grösseren gesetzgeberischen Anpassungen im Verfahrensrecht zu berichten war (Inkrafttreten des ATSG, der Verfahrensrechtsrevision in der Invalidenversicherung sowie des Bundesgerichtsgesetzes), standen die Jahre 2008 und 2009 überwiegend im Zeichen der Anpassung der Rechtsprechung an die Standards des Bundesgerichtsgesetzes und der Konsolidierung langjähriger Praxislinien. Im Vordergrund standen dabei Fragen des Verfahrens vor Bundesgericht (Abgrenzung zwischen Teil- und Zwischenentscheiden, Präzisierungen zum Novenverbot im bundesgerichtlichen Verfahren, Kognition), das sich nun auch im Sozialversicherungsrecht immer mehr dem allgemeinen Verfahrensstandard von Beschwerden in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten angleicht. Besonders zu erwähnen sind darüber hinaus die wichtigen Grundsatzentscheide zur Zulässigkeit der Observation versicherter Personen durch einen von der Unfallversicherung beauftragten Privatdetektiv (BGE 135 I 169) sowie zum (nach bundesgerichtlicher Ansicht fehlenden) Anspruch auf eine versicherungsexterne Begutachtung (BGE 135 V 465). Beide Fragen weisen grundsätzliche Bedeutung auf und sind eng mit verfassungsrechtlichen Problemstellungen verknüpft. In beiden Fällen werden die weitere wissenschaftliche Diskussion und wohl auch die Praxis noch Differenzierungen anzubringen haben.

Die nachfolgende Darstellung beschränkt sich auf die wichtigsten Entscheide zum sozialversicherungsrechtlichen Verfahren aus den Jahren 2008 und 2009, die im Wesentlichen in den Bänden 134 und 135 der Amtlichen Sammlung publiziert worden sind.

Aus der ZeitschriftZBJV 1/2011 | S. 79–112 Es folgt Seite № 80

I. Sozialversicherungsverfahren

1. Ausmass der Aufklärungs- und Beratungspflicht

Mit BGE 131 V 472 ff. hat das Bundesgericht seine Praxis zu Art. 27 Abs. 2 ATSG begründet, wonach an die Unterlassung der Beratungspflicht eines Versicherungsträgers die gleichen Rechtsfolgen geknüpft werden wie an die Erteilung falscher Auskünfte. Der Versicherungsträger hat in einem solchen Fall in Nachachtung des…

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